
Interview mit dem Brühler Bürgermeister
Auch in Brühl werden nach wie die Pro und Contras zur Geothermie diskutiert. Die Schwetzinger Zeitung hat dazu den Brühler Bürgermeister Dr. Ralf Göck interviewt. Zur Zukunft des Kraftwerks meinte er, dass die Gemeinde im Jahr 2008 ein Grundstück für ein nachhaltiges Projekt zur Erzeugung von klimaneutralem Öko-Strom an ein Privatunternehmen verpachtet hat, um damit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Da dieses Grundstück aber wenige hundert Meter von der Realschule entfernt liegt, war die Gewährung eines optimalen Lärmschutzes eine der wichtigen Bedingungen und wurde deshalb auch im Grundstückspachtvertrag verankert. Die Genehmigung für das Kraftwerk selbst kam Ende 2008 vom Regionalverband und Nachbarschaftsverband für das Planungsrecht, für die Gebäude kommen sie vom Landratsamt. Das Landesbergamt in Freiburg gibt nach Prüfung die Freigabe für den bergmännischen Teil. Das bedeutet, das seit Jahren gutachterlich daran gearbeitet wird, ob ein Geothermie-Kraftwerk an der Stelle tatsächlich möglich ist und ob tatsächlich ein erschütterungsfreier Betrieb gewährleistet werden kann. Dass dabei große Sorgfalt an den Tag gelegt und nicht etwa leichtfertig gehandelt wird, beweist die lange Dauer des Verfahrens. Möglicherweise wird die Frage eines erschütterungsfreien Betriebs aber noch hinausgeschoben. Als nächstes soll nämlich nur die Bohrung freigegeben werden. Bei diesen Arbeiten hat es bisher nirgends Erschütterungen gegeben, deshalb geht Göck davon aus, dass es auf der Baustelle bald weitergehen wird, aber ob dort jemals ein funktionierendes Kraftwerk stehen wird, hängt von vielen Faktoren ab. Zum Beispiel, wieviel heißes Wasser gefunden wird und ob das Bergamt überhaupt die nächste Stufe, nämlich das Fördern und Wiederverfüllen von Wasser, genehmigt. Erst danach wird es eine Entscheidung über einen Probebetrieb geben, bevor dann die endgültige Betriebsgenehmigung ausgesprochen wird. Die Genehmigung wird also vorsichtshalber nur in Stufen erteilt und auf jeder Stufe kann Schluss sein, wenn die harten Bedingungen nicht erfüllt werden. Ob ein bedenkenloser Betrieb möglich ist, will der Bürgermeister indes nicht beantworten, denn das Leben steckt voller Risiken, insbesondere dort, wo Neuland betreten wird. Und dann stellt sich sofort die Frage nach einer guten Absicherung. Das gilt für den Bau des eigenen Hauses ebenso wie für einen Fabrikkomplex und das gilt erst recht für ein Kraftwerk. Ein bedenkenloser Betrieb kann auch bei einem Geothermiekraftwerk nicht erreicht werden. Aber die Gemeinde wird alles versuchen, um die Risiken zu minimieren. In dem Zusammenhang hält er auch die "Empfehlungen", die in dem Gutachten der Pfälzer Expertenkommission zum risikoarmen Betrieb gegeben werden, für überaus bedeutsam und wichtig. Göck geht ungeachtet dessen davon aus, dass diese auch in die Arbeit des Freiburger Bergamtes einfließen werden. Der Gemeinderat von Brühl wird das auch fordern, denn alle wollen, dass kein Brühler Bürger Schäden an seinem Hab und Gut erleiden muss. Das gilt natürlich auch für die Nachbargemeinden, insbesondere die angrenzende im Süden. Und am Ende muss auch eine gut dotierte Haftpflichtversicherung bereitstehen. Diese liegt im Falle Brühls bei 50 Millionen Euro. Auch auf die unterschiedliche Vorgehensweise zu dem Kraftwerk in Landau geht der Brühler Bürgermeister ein: Die dortige Anlage wurde ohne eine 3-D-Seismik errichtet. Deswegen ist dort von Anfang an unklar gewesen, wo genau die Bohrung ihr Ziel erreichen wird, nämlich heißes Wasser zu finden und an welcher Stelle es wieder in die Erde zurückfließen soll. In Brühl dagegen sind die Förder- und Einlaufpunkte schon jetzt fixiert - ohne großen Druck soll das geförderte Wasser wieder an anderer Stelle, aber in das gleiche Reservoir hineinfließen. Die Experten gehen davon aus, dass der hohe Druck die Erschütterungen in Landau ausgelöst haben könnte. In Brühl gibt es aber auch eine andere Bodenbeschaffenheit. Der kiesige Untergrund unter der Gemeinde könnte mögliche kleine Erderschütterungen genauso "auffangen" wie in 15 anderen Projekten der Tiefengeothermie Deutschlands. Und auch verweist Göck noch einmal auf die Expertenkommission: Ist es tatsächlich das Ergebnis dieser Kommission, dass die Tiefengeothermie "nicht beherrschbar" ist, oder gibt es Möglichkeiten, die Risiken zu minimieren, sodass niemand Angst um sein Hab und Gut haben muss. Das soll mit dem Leiter der Kommission Dr. Christian Bönnemann besprochen werden. Zu diesem Gespräch mit dem Gemeinderat werden wir auch das Bergamt, die Bürgerinitiative und die Betreiberfirma Geoenergy eingeladen. Viele Bürger möchten, dass kein Geothermiekraftwerk entsteht, um jegliches Risiko zu vermeiden. Doch die Gemeinde hat bereits Verträge zur nachhaltigen Stromerzeugung in Brühl mit einer eindeutigen Gemeinderatsmehrheit abgeschlossen, deshalb kann der Pachtvertrag für das Betriebsgrundstück auch nicht so ohne Weiteres aufgelöst werden. .Der Gemeidnerat tat dies nicht leichtfertig, sondern orientierte sich an Gutachten und Fakten. Durch die Erfahrungen in jüngster Zeit ist der Rat aber auch leicht verunsichert und nachdenklicher geworden. Gemeinderat und Bürgermeister Göck versuchen alles, um die Risiken so gering wie möglich zu halten. So sollen, wo möglich, die Regeln verschärft und der bestmögliche Versicherungsschutz gewährleisten werden. Der Hebel zur Durchsetzung der Forderungen ist, dass Brühl Grundstückseigentümer ist. So hat die Gemeinde Brühl, bereits im Grundstückspachtvertrag einen Lärmschutzpegel von höchstens 40 Dezibel A durchgesetzt, der an jedem Fenster der Realschule zu messen ist. Auch die Versicherung samt einem Nachweis, dass die Prämie bezahlt wurde, ist ebenfalls vertraglich gesichert. In einem Ergänzungsvertrag soll zunächst ein typisierendes Beweissicherungsverfahren vereinbart werden, um den derzeitigen Zustand der Häuser zu dokumentieren. Weiter fordern die Brühler ein Monitoringsystem, bei dem die gemessenen Werte über das Bergamt an die Gemeinde und ihre Einwohner gemeldet werden, um zu wissen, ob ein Schaden eingetreten sein kann. Außerdem wird ein Ombudsmann als sachkundigen Interessenvertreter der Brühler Bürger gefordert. Er wird mögliche Schäden mit einem Vertreter der Versicherung begutachten. Bei Kleinschäden könnte er sofort und letztendlich selber entscheiden und die Auszahlung würde innerhalb von vier Wochen geleistet. Bei größeren Schäden bleibt er im Gespräch mit der Versicherung. Gegenüber der Versicherung hilft aber auch die Bergschadensvermutung: Werden im Bohrloch ein Erdbeben und in Brühl erhöhte Bodenschwinggeschwindigkeiten gemessen, muss die Versicherung möglicherweise eintretende Schäden an den Häusern bezahlen, und auch hier hilft der Ombudsmann festzustellen, ob der Schaden "neu" ist. Damit soll erreicht werden, dass die Bürger keine langwierigen Rechtsstreitigkeiten mit der Versicherung zu führen haben, wenn sie neue Schäden an ihrem Haus feststellen. Abschließend betonte der Bürgermeister, dass es sich in Brühl nicht anders verhält als an anderen Kraftwerksstandorten. Es werden Arbeitsplätze und eine Wertschöpfung vor Ort geschaffen, Gewerbesteuer und Pachtzahlungen für das Gelände eingenommen. Im übrigen wird der Strom und das heiße Wasser in das öffentliche Strom- beziehungsweise ein Fernwärmenetz eingespeist. Die Gemeinde will ein Zeichen setzen für klimaneutralen, sicheren Ökostrom, und der sei laut Göck eben weniger mit Windkraft als mit der Geothermie möglich.
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